Ein Tag im Zeichen der Frauen

Die sonntägliche Matinee im Schloss Wyher begann mit Literatur und Blues. Die Berner Autorin, Regisseurin und Schauspielerin Livia Anne Richard las aus ihrem zweiten Roman: Anna der Vater. Er umschreibt die Geschichte einer starken jungen Frau. Anna entscheidet mit dem Bauch, setzt sich durch, wehrt sich gegen geltende Geschlechterrollen und schert sich nicht um Konventionen. Als beim Sprachaufenthalt in den USA ihre Gastschwester und beste Freundin schwanger wird und ein Vater fehlt, übernimmt Anna dessen Rolle. Musikalisch umrahmt wurde die Lesung von Wale Liniger. Einst war er Livia Anne Richards Primarlehrer. Später entschied auch er sich für einen nonkonformen Weg und wanderte in die USA aus. In deren Süden unterrichtete er während Jahren an einer Universität Blues. 2019 kehrte Liniger zurück. Mitgebracht hat er den Blues – in Form von Fingerfertigkeit und als Lebensgefühl. Teils unterlegte er mit seiner Gitarre Textpassagen, daneben beeindruckte er mit gradlinigen Songs und sorgte mit zwei Intermezzi an der Mundharmonika für Abwechslung – aber auch mit seinen Kommentaren zwischen den Zeilen.

Um eine starke Frau, die wenig von Konventionen hielt, ging es auch im zweiten Set: um Hildegard Knef. Die Schauspielerin, Sängerin und Autorin lebte von 1925 bis 2002 – viele Jahre verbrachte sie in den USA. Im bundesrepublikanischen Nachkriegsdeutschland wurde sie teils leidenschaftlich gehasst. «Ich habe mehr überlebt als gelebt», sagte sie einst; auch mit Blick auf ihre langjährige Krebserkrankung. Dieser Frau widmete Schauspielerin und Sängerin Tini Prüfert eine Hommage. Zusammen mit den hochkarätigen Musikern Peter Estermann (Wurlitzer, Akkordeon), Rafael Jerjen (Kontrabass) und Raphael Woll (Drums) präsentierte sie Lieder der Protagonistin. Dazwischen gab es immer wieder Original-Zitate – spitzzüngig und tiefgründig. Die Songs waren oft jazzy, zu hören war ferner ein Schlager: In «Halt mich Fest» aus dem Jahr 1967 besang die Knef ein ofenkundiges Angebot für einen One-Night-Stand. Skandalträchtig. Derzeit wird das Programm am Luzerner Theater aufgeführt, wo Prüfert festes Ensemblemitglied ist. Ans Stimmen Festival brachte das Quartett eine angepasste Form. Musikalisch hochstehend und zum Nachdenken animierend ist auch sie.

Das sonntagabendliche Festival-Finale in der Pfarrkirche stand ebenfalls im Zeichen von Frauen(stimmen). Nadja Räss, Vera Baumann, Elian Zeitel und Andrea Küttel vom STIMMREISE.CH 3 nahmen ihre rund 200 Zuhörenden mit auf einen Trip durch verschiedene Musikrichtungen. Für Nadja Räss – sie ist Jodeldozentin an der Hochschule Luzern – war es bereits der dritte Auftritt in Ettiswil. Und was für einer: Die vier Frauen mischen Jazz mit Tradition, Improvisationen und Jodel. Volksmusik aus verschiedenen Ländern war zu hören, eine Eigenkomposition zu einem Text Franz Hohlers zum Thema Tod, die Interpretation eines traditionellen Gute-Nacht-Liedes und etliche Juchzer. Das Publikum erhielt einen Jodel-Crashkurs und begleitete die Sängerinnen anschliessend. Das Fazit: Der Name des Quartetts verspricht nicht zu viel. Die Frauen nahmen ihr Publikum mit auf eine abwechslungsreiche Stimmreise. Damit sorgten sie für den perfekten Ausklang des diesjährigen Festivals. (David Koller)

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